Ist es eine menschliche Ureigenart, voyeuristisch veranlagt zu sein und die Geschichten der Mitmenschen zu verschlingen, wie die Brotzeit am Mittag? Oder haben sich die Medienformen, die mithilfe von menschlichen Geschichten berichtet werden, erst im Rahmen pseudo-realistischer Dokusoaps entwickelt?
Ich kenne die Antwort nicht, aber gerne habe ich im Bereich „Storytelling“ recherchiert. Denn meine Fragen sollen heute sein: Was macht eine gute Story aus? Wie ergründet man, was die Leser interessiert? Wie schafft man einen Spannungsbogen mit Niveau?
Es erinnert ein wenig ans Kochen, denn eine gute Geschichte braucht viele Zutaten und ein ausgeklügeltes Rezept. In einer Story gibt es Figuren, die miteinander interagieren und mit- oder gegeneinander handeln. Was jetzt klingt wie Teilnahmebedingungen für einen Kurzgeschichten-Wettbewerb, ist ebenso im klassischen Journalismus gängige Praxis.
Im Journalismus geht es den Lesern darum, von Menschen zu lesen, die etwas erlebt oder durchlebt haben, die eine Vision haben oder für ein Ziel kämpfen, das sie gemeinsam oder in der Gruppe zu erreichen versuchen. Vorbei ist die Zeit, in der das Nonplusultra einer guten Geschichte das Zitat am Anfang ist. Das kann sein, muss es aber nicht.
„Storytelling“ fordert mehr. Es möchte Ungewöhnliches zu Tage fördern, möchte sprachliche sowie inhaltliche Spannungsbögen kreieren und dabei sich einer ganzen Bandbreite an Literarischem, Dramatischen und Sprachlichen bedienen. „Storytelling“ erinnert an die Reportage, doch ist sie auch Kunst. Die Kunst, dem Leser in Form eines Porträts oder eines Features die Geschichte miterleben zu lassen.
Interessant sind Geschichten von Menschen. Die Termine, auf die freie oder angestellte Journalisten pilgern, bleiben allerdings dieselben. Nur die Arbeit kann mit dem Arbeitsauftrag „Storytelling“ durchaus komplizierter und damit auch aufwendiger werden. Ein Praxisbeispiel: Eine Gemeinderatssitzung kann immer wieder interessante Details für die Bevölkerung bieten, wie beispielsweise die Gebührensatzung für den örtlichen Kindergarten. Der gängige Weg ist es, über die neuen Gebühren – im Vergleich zur vorangegangenen Satzung – zu berichten.
„Storytelling“ wäre hingegen mit Eltern zu sprechen, die Hintergründe zu beleuchten, warum die Gebühren erhöht wurden, und vielleicht beim Recherchieren herauszufinden, dass die Kindergärtnerin selbst höhere Gebühren bei der Kommune gefordert hat. Der Grund: Sie lebt in einem anderen Ort und zahlt für ihren eigenen Nachwuchs gut 50 Prozent mehr, als die Eltern für den Kindergarten zahlen, in dem sie arbeitet.
Der Sprung ins kalte Wasser hat sich bewährt. Das heißt: Am Anfang einer guten Geschichte steht bereits der erste Höhepunkt. Die wichtigen Hintergrundinformationen werden dann im nächsten Abschnitt nachgeliefert. Anschließend folgt der Spannungsbogen wieder einem Aufwärtstrend – mit Kurs auf den nächsten Höhepunkt.
An dieser Stelle ist wohl ein kurzer Exkurs zum Niveau von Spannungsbögen angebracht. Mord, Totschlag oder eine Intrige sind die Könige der Spannungsbögen – in der Yellow Press. Die Regenbogenpresse, oder auch Sensationspresse genannt, zielt hierbei auf die Gier der Menschen nach Tragödien ab. Niveau wird aber hier an manchen Stellen vergebens gesucht.
Tipp: Ein Spannungsbogen kann auch sprachlich erzeugt werden und muss nicht auf Kosten von Menschen gehen. Soll heißen: Wer die Kunst beherrscht, seine Leser mit ausgewählten Worten mit auf die Reise von Geschichtenhöhepunkt zu Geschichtenhöhepunkt zu nehmen und dabei weiß, wie und wann er welches Zitat zu positionieren hat, der hat „Storytelling“ begriffen und gelernt umzusetzen. Eine Geschichte muss nicht zwingend reißerisch sein, sondern kann auch einfach mit Worten fesseln.
Bereits im ersten, zweiten und dritten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns dem Thema:
Brandaktuell zu sein ist die eine Seite der Medaille. Das ist der Anspruch, den Tageszeitungen verfolgen – oder Newsportale in der Online-Welt. Doch was bleibt dann noch für die Print- und Online-Magazine übrig? Dasselbe Thema nochmal (aber eben viel zu spät) zu bringen, macht zumindest für die Leserzielgruppe keinen Sinn. Nun ist die Recherchefähigkeit des Journalisten gefragt, denn in einer Magazingeschichte beziehungsweise einem Hintergrundartikel werden all die Dinge beleuchtet, die in einem aktuellen Bericht, wenn überhaupt, nur angerissen würden.
Die H-10-Abstandsregelung des Windkraftgesetzes ist nun auch in Bayern angekommen. Fortan soll gelten, dass der Mindestabstand zwischen einer Windkraftanlage und dem nächsten Wohnhaus zehnmal so hoch ist wie die Anlage selbst. Gut, das ist beim Dauerbrenner-Thema Energiewende natürlich eine Meldung wert.
Doch nun steht die Magazin-Redaktion vor der Wahl: Soll sie das Thema verstreichen lassen oder aufgreifen? Sie entscheidet sich dazu, das Thema aufzugreifen. Nun wird recherchiert. Hintergrundinformationen sind gefragt!
Ist erst einmal alles zusammengetragen, müssen diese Informationen aufbereitet werden. Das geht ebenfalls auf zwei Wegen: en bloc oder in ansprechend verpackten Inhaltshäppchen. Neben einem großen Beitrag, in dem Verfechter und Gegner zu Wort kommen, gibt es eine ausführliche Tabelle zum aktuellen Bestand sowie zu den Planzahlen in puncto Windkraft. Der Bundeslandvergleich lässt sich grafisch in einer Karte umsetzen, die zeigt, wo es aktuell Abstandsregelungen gibt. Fachbegriffe werden im Glossar kurz erklärt.
Und fertig ist die Magazingeschichte für das Printformat, denn ein aktuelles Thema wurde von mehreren Seiten beleuchtet und mit Hintergrundinformationen aufgewertet. So bleibt der Anlass der Berichterstattung klar, denn das Thema ist und bleibt aktuell, aber der Hintergrundartikel bietet durch Zusatzinformationen einen attraktiven Mehrwert für die Leser.
Switchen wir in die Welt der URLs wird eines klar: Es gibt sie, die gut recherchierten Texte, nur der Online-Journalist kann es sich manchmal etwas einfacher machen, als sein Print-Pendant. Ein Glossar kann beispielsweise erstellt werden, aber es kann auch einfach ein Link auf ein verlässliches Online-Lexikon gesetzt werden. Dafür, dass der Online-Journalist an dieser Stelle weniger Recherchearbeit hat, bekommt er natürlich prompt eine andere Aufgabe auf den Tisch: Er kann und sollte auf Videos, weiterführende Artikel etc. verlinken – und die muss er erst suchen und prüfen.
Leider neigen gerade Online-Artikel dazu, durch Affiliate Marketing zu leiden. Denn wenn ein Artikel nur so von Links zu Amazon und Co. strotzt, wird es vergleichsweise schwierig, den wahren Informationsgehalt herauszufiltern. Ebenso verwässert wird guter Content auch durch eine zu stark geforderte Keywordoptimierung.
Das „Content ist King“-Schild an dieser Stelle hochzuhalten, ist nicht das Anliegen, doch ein Appell ist an dieser Stelle durchaus angebracht: Gute Texte werden gerne gelesen, weiterempfohlen, und der Leser kommt immer wieder. Daher sollte unter dem Damoklesschwert der Suchmaschinenoptimierung nicht der Inhalt leiden, denn gerade der Online-Journalismus bietet zahlreiche Möglichkeiten, die geforderten Hintergrundinformationen auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen.
Im Falle der H-10-Regelung wäre es zum Beispiel leicht möglich, auf das offizielle Gesetzespapier zu verlinken. Schön, wenn die Regelung selbst für Leser ohne Jurastudium in einfachen Worten erklärt wird, aber die Gesetzesfans werden den Verweis auf den Paragrafendschungel der Content-Aufbereitung als wahren Mehrwert schätzen.
Bereits im ersten und zweiten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns weiteren Artikelformen im Journalismus:
Jetzt wird es persönlich, denn während bei Meldung und Bericht noch über die Meinung anderer berichtet wurde, steht beim Kommentar, bei der Glosse und bei der Rezension die Meinung des Autors im Fokus.
Ein Kommentar ergänzt immer dann einen Beitrag, wenn er vom Autor eine Stellungnahme zum Thema inhaltlich einfordert. Wichtig ist, dass die Meinung des Journalisten mit Presseausweis auch von Interesse für die Leser ist. Zudem bedarf es gerade beim Kommentar eines Lektorats, bei dem der Text auf Verständlichkeit geprüft wird. Wichtig ist hier, dass der Text nicht nur redigiert wird, was jedem Text widerfahren sollte, sondern, dass es auch darauf ankommt, einen Kommentar verständlich zu schreiben. Gerade dann nämlich, wenn der Autor seiner vielleicht emotionalen Art freien Lauf lässt, können Gedankengänge verwirrend – und damit schwer nachvollziehbar – sein.
Neben dieser recht emotionalen Variante wird der Kommentar mit klassischen Argumenten im Gepäck immer dann geschrieben, wenn es darum geht, eine Meinung prominenter darzustellen. Am distanziertesten ist ein Kommentar, wenn er dazu dient, die unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Thema aufzuzeigen. Die Kunst am Kommentar besteht darin, das richtige Maß an Informationsgehalt einfließen zu lassen, ohne dabei die kommentierende Wirkung zu verfehlen.
Wer glaubt, dass eine Glosse aufgrund der Leichtigkeit der Themen, die sie manchmal behandelt, auch leicht zu schreiben sei, der irrt. Denn eine Glosse zu verfassen, erfordert einen bunten Kessel an Schreibfähigkeiten, die nicht jeder Journalist gleichermaßen im Leistungsportfolio hat. Die Kunst der Glosse ist es, den Schwachpunkt des Themas zu erfassen und auf ironische Weise Salz in die soeben offen gelegte Wunde zu streuen. Ein Muss dabei ist die Pointe.
… und das, obgleich sie als Kritikform für künstlerische Darstellungsformen die Auseinandersetzung und Beurteilung des Themas stärker einfordert, als jede andere journalistische Darstellungsform. Dennoch gilt: Informieren und beurteilen ist erlaubt. Einen Verriss zu schreiben ist zwar vielleicht verlockend, aber weder zielführend noch von langer Erfolgsdauer für den Autor.
Vielmehr fordert der Auftrag, eine Kritik oder Rezension zu erstellen, den Journalisten zunächst dazu auf, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Ein Beispiel: Eine unbekannte Autorin bei der Lesung ihres ersten Buches anschließend verbal zu steinigen, zeugt nicht gerade vom Können des Journalisten. Geht er jedoch auf das Verhältnis der Kenntnisse der Autorin ein, und setzt diese in Relation zu dem Ergebnis, so sei ihm bescheinigt: Das ist der beste Ansatz, eine vertretbare Rezension zu erstellen.
Übrigens: Lobt der Journalist die Autorin dann haltlos über den berühmten Klee hinaus, ist die Rezension wahrscheinlich ebenso wertlos wie der Verriss. Maß und Ziel sowie ein argumentatives Fundament machen eine gute Rezension aus.
„False friends“ nannte man sie in der Schule. Damit wurden die Assoziationen zu einem Wort bezeichnet, die nur auf den ersten Blick zu einem anderen Wort verwandt waren, im Grunde genommen aber etwas anderes aussagten. Ähnliches passiert mit Kommentar und Kritik in der Online-Welt.
Einen Kommentar kann nämlich in der Regel jeder Leser verfassen. Er kommentiert damit ein journalistisches Werk oder öfter noch einen Beitrag eines Autors ohne journalistischen Hintergrund. Das hat nichts mit dem durchdachten Kommentar aus der Feder eines Journalisten zu tun – und verwischt in der Praxis zudem nur allzu oft die Grenze zur Werbung. Wenn nur noch Links in der virtuellen Welt hin- und hergeworfen werden, dann ist hier nicht mehr von journalistischen Kommentaren zu sprechen, auch wenn persönliche Meinungsäußerungen und Links in Felder mit der Überschrift „Kommentar“ geschrieben werden.
Rezensionen bzw. Kritiken finden sich in der Online-Welt auch – aber Achtung: Es gibt verkaufsfördernde, professionell geschriebene Kritiken und die „echten“ Rezensionen. Der Unterschied ist fließend und wer nun glaubt, dass die professionellen, in der Regel gekauften Kritiken, rein positiv gehalten sind, der irrt. Denn sie sind professionell – und haben daher auch den Anspruch, authentisch – also nicht durchweg positiv – zu sein.
Bereits im ersten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns weiteren Artikelformen im Journalismus.
Sie sind sich ähnlicher wie kaum eine andere journalistische Darstellungsform und doch so unterschiedlich. Die Rede ist von der Reportage und dem Feature. Sie ähneln sich, denn – sind sie gut geschrieben – sind sie mitreißend, lebendig und lassen den Leser der Geschichte mitfiebern. Doch sie unterscheiden sich auch, denn ein Feature geht in die Tiefe und setzt das behandelte Thema in einen weit größeren Zusammenhang als eine Reportage.
Die Reportage ist eine nahezu sinnliche Form des journalistischen Schreibens. Ein Journalist beschreibt nämlich nicht den belebten Ort, an dem er sich zu Recherchezwecken aufhält, sondern fühlt mit den Menschen. Ein Beispiel: Vielfach diskutiert wird immer wieder das Thema künstliche Befruchtung. Ist es nun ein unerlaubter Eingriff in die Natur? Ein medizinischer Sektor, in dem mit dem unerfüllten Kinderwunsch von Paaren Geld gemacht wird? Oder ist es der einzige Weg zum Glück für kinderlose Paare?
Natürlich soll nun nicht dieses hochbrisante Thema diskutiert werden, aber daran lässt sich zeigen, was eine Reportage ausmacht. Ein mutiger Reporter, der sich an die höchste journalistische Form heranwagt, wird sich auf die Suche nach einem betroffenen Paar machen – und deren Geschichte erzählen. So wird eine kleine Geschichte im medizinischen Zirkus der Reproduktionsmedizin beleuchtet. Emotional. Menschlich. Mitfühlend.
Übrigens: Wird neben der Geschichte des Paares, das bis zum erlösenden Bluttest begleitet wird, der statistische Background beleuchtet, die Behandlungsmethoden aufgezeigt und so ein analytischer Bogen gespannt, wird aus der Reportage ein Feature.
Allein schon aufgrund der umfangreichen Recherchen, die für eine stimmige Reportage nötig sind, kann diese journalistische Form niemals eine Meldung ersetzen, aber sie kann diese ergänzen. Der berühmte „Nachdreher“ eben, der so oft in der Redaktionssitzung der Lokalzeitung gefordert wird. Kein Wunder, wälzen doch findige Chefredakteure nicht umsonst die Mantelteile ihrer Zeitung, um aus einer klein verpackten Meldung eine ansprechende lokale Reportage zu stricken. Ein klares ja also für die Aktualität, die in den meisten Fällen immer auch ein Bestandteil der Reportage ist.
Details stehen darüber hinaus ganz oben auf der Liste der Dinge, die eine gute Reportage ausmachen. Um eine Reportage zu schreiben, muss der Schreibtischtäter wieder hinter dem Rechner hervorkommen und sich ins Recherchefeld begeben. Was sieht er? Liegen vielleicht nach dem Großbrand noch persönliche Gegenstände der ehemals im Haus wohnenden Menschen herum? Was riecht er? Steigt der Geruch von verbranntem Plastik beißend in seine Nase? Was hat der Nachbar gedacht, als die Feuerwehr ihn nachts aus dem Bett holte, weil das Feuer drohte, auf sein Haus überzugreifen? Und wie stand er dann vor den Flammen – im Pyjama?
All diese Details sind nötig, um ein authentisches Bild zu zeichnen, denn das ist – rein mit Worten – gar nicht so einfach umzusetzen. Nicht zuletzt deswegen gilt die Reportage als die künstlerischste Form des Artikels – denn jedes Wort muss punktgenau beschreiben und Emotionen vermitteln. Natürlich gehört dazu auch, Menschen zu Wort kommen zu lassen, denn eine Reportage lebt auch von den Statements der Betroffenen. Besonders der packende Artikelanfang und der nicht weniger wichtige Schlusssatz einer Reportage sind die wichtigsten Passagen des Artikels.
Das Feature beispielsweise fühlt sich im Rundfunk-Journalismus zu Hause. Kein Wunder, können hier mit Interviews, einem Erzähler und einem Sprecher für die Hintergrundinformationen all die zu übermittelnden Details ansprechend dargestellt werden. Auch die berühmten Fernsehdokumentationen, die unter der Bezeichnung „Reportage“ zu finden sind, sind oft eher ein Feature, denn nebst der Geschichte einer einzelnen Personen wird das Thema in einen globalen Zusammenhang gestellt.
Betrachtet man den ursprünglichen Sinn eines Artikels – sei es in Print oder online – geht es doch meist um eins: den Transport von Informationen vom Schreiber zum Leser. Die klassischste und dabei meist auch kürzeste aller Artikelformen ist dabei die Nachricht oder Meldung.
Inhaltlich muss das Thema der Nachricht sich vom Alltäglichen unterschieden. So ist ein Stau auf einer Straße immer möglich und nichts Besonderes. Ist dieser aber auf eine Baustelle zurückzuführen, die wiederum aufgrund von Bauarbeiten an Elektroleitungen oder Abwasserkanälen eröffnet werden musste, ist das Thema von größerem Interesse und durchaus eine Nachricht wert. Überdies ist die Meldung stilistisch grundsätzlich objektiv. Sie teilt mit und informiert. Die Worte sind klar, einfach und die Sätze nicht unnötig verschachtelt. Umständliche Worte oder bürokratische Wendungen haben in Meldungen nichts zu suchen. Beim Aufbau gilt: Das Wichtigste steht am Anfang.
Ein Blick in die Redaktion einer Tageszeitung zeigt: Was heute noch aktuell war, kann morgen schon längst veraltet sein. Deswegen werden Meldungen entweder tagesaktuell veröffentlicht oder müssen zum Tag der Veröffentlichung umgeschrieben werden. Bezüglich des Inhalts gilt es, die W-Fragen – Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Woher? – in aller Kürze zu beantworten.
Der strukturierte Aufbau und die klaren Richtlinien für Nachrichtenmeldungen sollen nun helfen, diese automatisiert zu erstellen. Das plant die Nachrichtenagentur Associated Press bei Meldungen zu Geschäftsberichten US-amerikanischer Firmen. Ein Algorithmus entschlüssle demnach bald die Firmendaten aus Geschäftsberichten und erstelle kurze Meldungen zu den Firmen komplett automatisch. Inwiefern gänzlich auf das prüfende und zugleich professionelle menschliche Auge verzichtet werden könne, bleibt an dieser Stelle abzuwarten.
Noch schneller geht’s natürlich, wenn nicht der “Umweg” über die Druckplatte eingeschlagen werden muss. Online-Meldungen werden verfasst und ins World Wide Web geschickt. Durch die Möglichkeit, eine Nachricht in der Regel per Mausklick in Sozialen Netzwerken weiterzuverbreiten, erhöht sich die Dynamik und auch der Leserkreis enorm. Dabei gibt es die klassischen Meldungen ähnlich wie in den Printausgaben zum Beispiel zu schweren Unfällen oder Veranstaltungshinweisen auch im Online-Bereich. Wenn’s ein bisschen weniger sein darf, dafür allerdings die Frequenz erhöht wird, wird getickert. Das heißt, die aktuelle Information kommt und wird per Live-Ticker veröffentlicht. Bei großen Katastrophen wie Bränden oder aber bei Massenveranstaltungen wird diese Abwandlung der Nachricht genutzt, die stilistisch an eine Kurzmitteilung erinnert.
Über 3 Milliarden Ergebnisse gibt Google aus, wenn ich die Suchmaschine damit beauftrage, nach dem Stichwort “Blog” zu suchen. Natürlich stehen neben vielen privaten Blogs ebenso Bloghoster, Freeware und Tipps und Tricks rund um die Vermarktung von Blogs in den Suchergebnissen. Doch was steckt hinter dieser Artikelform, die nicht erst seit gestern in aller Munde ist – und vor allem wer steckt dahinter? Wer bloggt im Netz und geht der Trend dahin, dass die heutigen Fachjournalisten die Blogger von morgen sind?
Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte von Internet-Blogs. Nahezu zeitgleich mit dem Internet hat sich das neue Medien-Genre der Blogs ins selbige eingeschlichen. Die ersten Blogs glichen Protokollen und Tagebüchern, in denen chronologische Entwicklungen oder Abläufe meist technischer Natur dargestellt wurden und machten damit nicht zuletzt ihrem Namen alle Ehre. Schließlich ist der Blog (oder Weblog) das Resultat einer Wortkreuzung aus Web und Log. Der erste Blog-Hype ist in den USA zwischen 1999 und 2002 zu verzeichnen. In diesem Zeitraum wuchs die Anzahl auf eine halbe Million Blogs an. Neben privaten Themen wurde der Blog zum Sprachrohr vieler, die den 11. September 2001 in New York miterlebt hatten oder die Geschehnisse online kommentieren wollten. Auch aus Krisen- oder Kriegsgebieten berichteten fortan Menschen per Blog.
Die Grenze schien gebrochen und Blogs wurden zur Plattform für Themen, über die in den traditionellen Medien wenig berichtet wurde. Emotionsreich und kritisch wurde dabei kommentiert – und der Druck auf die traditionellen Formate erhöht. Im US-amerikanischen Wahlkampf waren Blogs ein geschätztes Genre und vielleicht kann die Tatsache, dass Blogger die noch nicht mal einen Presseausweis beantragt haben (neben Journalisten) offiziell zu Presseterminen geladen wurden, sogar als erster Meilenstein auf dem Weg zum Blog-Journalismus angesehen werden. Ihre Art der Berichterstattung war gelenkt von der Zielgruppe: Diese wünschte sich emotionale Reporter, die Klartext redeten und in einem gewissen Rahmen frei von der Seele weg online kommentieren konnten. Ein neuer Beruf war geboren – schließlich konnten es sich namhafte Medienvertreter nicht mehr leisten, keinen Blog zu unterhalten.
Die erste deutsche Blogger-Hochphase gab es 2004/2005. Fortan wurde nicht nur über die Bloggerszene berichtet, sondern auch über die Blogger selbst, die mehr und mehr Einfluss bekamen. Und dieser kann insbesondere für Unternehmen kritisch werden. Genau dann nämlich, wenn sich die Bloggerszene zusammenschließt, ein Thema im Netz weitergetragen wird und eine Lobby bekommt. Spätestens dann müssen sich auch andere Medienvertreter des Themas annehmen.
Werfen wir einen Blick hinter den Bildschirm: Wer sitzt da am Computer und verbreitet Blogbeiträge? Grundsätzlich kann jede Privatperson – mitunter sogar recht günstig – einen eigenen Blog produzieren. Oft werden private Blogs als öffentliche Tagebücher verwendet und damit zur Kommunikationsplattform. Betrachtet man Blogs vor diesem kommunikativen Hintergrund, kann man in ihnen sogar eine Weiterentwicklung des klassischen Leserbriefes sehen, denn der Kommunikationsverlauf ist fest verbunden mit dem jeweiligen Thema und offen für weitere Leser und Schreiber, die mitdiskutieren wollen. Darüber hinaus kann ein Blog auch eines sein: Sprachrohr für Journalisten, die neben der klassischen Arbeit für einen Herausgeber Berichte veröffentlichen, die nicht einem einzelnen Auftraggeber zugedacht sind oder schlichtweg der Selbstvermarktung dienen. Da Blogs dem Deutschen Telemediengesetz unterliegen, besteht dennoch Kennzeichnungspflicht.
Aufatmen können mittlerweile auch die Freunde guter Texte in puncto Qualität: Längst vorbei ist die Zeit, in denen Blogs dazu genutzt wurden, um das fürs Ranking benötigte Keyword möglichst oft unterzubringen – der traurige Trend des Keywordsuffings, bei dem lediglich Stoppwörter das klickenswerte Wort unterbrachen, wurde eingedämmt – und so ist nun nur eines gefragt: guter Content. Spannend ist in diesem Zusammenhang zu beobachten, wer hinter den Beiträgen in Fachforen steckt. Ausgebildete Journalisten und damit Fachkräfte, die gut recherchierte Beiträge veröffentlichen?
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie, die im Mai 2014 unter dem Titel “Blogger 2014 – Das Selbstverständnis von Themenbloggern und ihr Verhältnis zum Journalismus” erschienen ist. Beleuchtet wurde neben anderen Themen das Rollenverständnis von Bloggern. Das Verhältnis zur klassischen Journalistenzunft stand ebenso auf dem Prüfstand. Zu Beginn der Studie wird zwischen drei Blog-Typen unterschieden: private Online-Tagebücher, journalistische Blogs und Corporate Blogs. Sie unterscheiden sich in erster Linie in der Zielstellung. Während Online-Tagebücher in gewissem Maße die Sucht nach Selbstdarstellung befriedigen wollen, informieren Journalisten, Redakteure und Fachkräfte in journalistischen Blogs zu speziellen Themen mit Relevanz. Coporate Blogs werden von den jeweiligen Betreibern (Vereinen, Verbänden, Parteien und Unternehmen) zu Kommunikationszwecken genutzt.
Im Rahmen der empirischen Erhebung des Forscherteams der Universität Hohenheim wurden Blogger journalistischer Blogs / Themenblogs befragt. Ein Blick auf die soziodemografischen Werte verrät: Die Blogger sind meist männlich und hochgebildet. Und warum investiert die befragte Blog-Community so viel Zeit in das Erstellen von Beiträgen für die Nutzer im Web? Die Erklärung und Vermittlung komplexer Sachverhalte sowie die Information des Publikums stehen dabei im Vordergrund. Doch auch der Bericht über Sachverhalte sowie die Motivation zur Diskussion im Netz sind Motive der befragten Blogger. Wichtig ist ihnen darüber hinaus, Trends aufzuzeigen und Ideen zu vermitteln, als Ratgeber zu dienen oder um eigene Ansichten kundzutun. Daneben ist der Unterhaltungsfaktor den Bloggern wichtig.
Und wie eng ist dieser Studie folgend der Zusammenhang von Bloggern und Journalisten? Nur 8,7 Prozent der Befragten haben journalistische Erfahrungen, obgleich ihnen die journalistische Qualität ihrer Beiträge sehr wichtig ist. Viele halten Blogs für eine neue Art des Journalismus, doch auch der Konkurrenzgedanke wurde ins Feld geführt. Letztendlich wage ich einen vorsichtigen Blick in die Zukunft und glaube an die Verzahnung von Bloggerwelt und journalistischen Genres. Als Forum für Fachjournalisten ist es eine Möglichkeit, Fachinformationen attraktiv verpackt einer Masse an Usern zur Verfügung zu stellen und dabei sogar noch Geld zu verdienen.
Doch der Verdienst ist vergleichsweise gering: Die Hälfte der befragten Blogger erwirbt gerade einmal 100 Euro monatlich. Nur 20 Prozent nehmen bis zu 500 Euro monatlich ein. Bei thematischen Blogs zählen Werbeeinnahmen und Affiliate Marketing zu den größten Einnahmequellen. Doch passt das nicht ganz klassisch in das Bild eines freiberuflichen Journalisten, der durch diverse Auftraggeber sein Auskommen sichert?
Ein abgeschlossenes Studium im Medienbereich, eine abgeschlossene journalistische Ausbildung sowie praktische Erfahrungen in allen Medientechniken – so oder ähnlich lesen sich die Stellenausschreibungen von Medienunternehmen.
Leider sollte der Bewerber bzw. die Bewerberin möglichst noch keine 30 Jahre alt sein, sodass kein hohes Einstiegsgehalt verlangt werden kann. Damit sehen sich die meisten Berufsanfänger konfrontiert, wenn sie sich erstmals nach einer festen Stelle umsehen müssen. Sie gehören unglücklicherweise nicht zu dem Minimal-Prozentsatz, der nach einem abgeschlossenen Volontariat oder nach Abschluss eines Journalismus-Studiums mit Kusshand eine Festanstellung präsentiert bekommen.
Welcher Weg führt in den Journalismus?
An dieser Stelle könnte eine Diskussion über den “richtigen” Weg in den Journalismus entbrennen und – egal welche Meinung an dieser Stelle vertreten wird – sie wäre falsch. Insbesondere im Journalismus glaube ich an den Stellenwert des Individuums, die persönlichen Interessen und insbesondere an die persönliche Biographie. Unstrittig ist meines Erachtens dennoch eins: Bessere Kenntnisse der Medienvielfalt – insbesondere im Online-Bereich – besitzen sicherlich Hochschulabsolventen. Damit haben Sie einen Wissensvorsprung gegenüber ihren Kollegen und Kolleginnen in den Redaktionen. Aber könnte man nicht an dieser Stelle die Weiterbildungsmöglichkeiten im Betrieb erhöhen? Wäre es nicht eine Option, auch die “alten Hasen” mit Storytelling im Video-Bereich oder Recherche in Social-Media-Kanälen “up-to-date” zu halten? Bye the way: Das wäre sicherlich auch auf Arbeitgeberseite erstrebenswert und könnte unter Umständen langfristig sogar zu einer guten Platzierung bei “Great place to work” verhelfen.
Branchenwissen ist vermittelbar
Eine Umfrage, die von zwei Professoren der Hochschule Würzburg-Schweinfurt in Zusammenarbeit mit der Verleger-Plattform “Deutsche Fachpresse” durchgeführt wurde, zeigt, dass es durchaus Hoffnung gibt für Journalisten, die weder Mathematiker, Techniker noch Naturwissenschaftler sind. Fast drei Viertel der befragten Unternehmen ließen sich auf ein Gegengeschäft ein: Bewerber, die journalistische Fachkenntnisse mitbringen, erhalten im Gegenzug auf Betriebsebene spezielles Fachwissen. Ein fairer Deal, um als Fachjournalist Fuß fassen zu können.
Doch woher kommt die Kompromissbereitschaft? Die Zahl der Bewerber geht zurück! Schließlich gibt es sehr wenige, die ein technisches Studium absolvieren und “nebenher” noch ein Fernstudium im Bereich Journalismus stemmen können. Zwei Studienabschlüsse nacheinander zu absolvieren ist zwar grundsätzlich möglich, doch dann fallen die Bewerber leider wieder aus dem “unter 30 Jahre” – Raster.
Eine Option für einen Jobwechsel
Nach wie vor interessant ist der Beruf “Fachjournalist für Quereinsteiger” für gut ausgebildete Akademiker, die nach einigen Berufsjahren umsatteln möchten oder es aus privaten oder gesundheitlichen Gründen müssen. Dann wird der Arzt mit der entsprechenden Zusatzqualifikation oder Weiterbildung zum Fachredakteur eines Ärztemagazins. Für die Zielgruppe “Ärzte” wird er sicherlich qualitativ hochwertige Artikel beisteuern können, doch kann man ihn für die Redaktion einer Patienteninformationsbroschüre einsetzen? Fachlich wäre er sicherlich kompetent, aber erreicht er auch die Zielgruppe? Es mag ein Vorurteil sein, das sicherlich nicht für alle gilt, aber die Vermittlung von zu speziellem Wissen kann auch zur Ablehnung aus Sicht der Leser führen.
Wie viel Fachwissen darf es sein?
Werfen wir einen Blick auf die Arbeit eines Journalisten, der über ein medizinisches Fachthema schreibt. Er wird das Thema und die darüber diskutierte Meinung recherchieren, eventuell einen Ansprechpartner kontaktieren, der ihm den ein oder anderen O-Ton liefert und vielleicht sogar noch ein Glossar schreiben. Dafür muss er keineswegs Medizin studiert haben. Damit unterscheidet sich die Arbeit des “fachfremden” Fachjournalisten nur wenig von dem eines Lokaljournalisten.
Eine Kollegin hat das Thema einst mit folgenden pfiffigen Worten pointiert: “Ich muss nicht in der Pfanne gelegen haben, um über Schnitzel zu schreiben.”
Zunächst einmal die gute Nachricht: Es gibt sie, die Frauen in der Führungsetage! Mit 50 Prozent Frauenquote in der obersten Führungsetage ist die Redaktion der taz der Spitzenreiter. Aber auch die Berliner Zeitung (mit 40 Prozent) und die Zeit (mit 30,4 Prozent) verzeichnen einen großen Frauenanteil in der obersten Führungsetage ihrer Redaktionen. Inwiefern diese Frauen auch noch das große Ziel – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – erreicht haben, darüber gibt die Statistik von ProQuote / Statista 2014 (Stand vom Februar 2013) keine Auskunft.
Nein, ganz und gar nicht. Begonnen hat der Weg der Frau in den Journalismus bereits im 19. Jahrhundert. Damals fokussierten sich die “deutschen Frauen der Feder” noch auf die Schriftstellerei, legten aber bereits den Grundstein für ihre heutige Tätigkeit. Laut der Studie “Journalismus in Deutschland II / 2005” lag der Frauenanteil Ende der 70er Jahre bei rund 20 Prozent. Bis 2005 hatte sich der Anteil nahezu verdoppelt.
Muss ich mich denn nun wirklich entscheiden, ob ich Journalistin sein möchte oder ob ich eine Familie haben will? Nein. Und nun keine statistischen Werte mehr, sondern eine kleine Geschichte: Mein Sohn war zehn Wochen alt, als ich wieder als Vollzeit-Mitarbeiterin zur Arbeit ging. Ich kehrte damit auch in eine Führungsposition zurück mit Personalverantwortung für 18 Mitarbeiterinnen. Ich arbeitete in einem Verlag. Zweimal in der Woche genoss der Junior die Fürsorge von Opa und Uroma. Den Rest der Zeit konnte ich mich dank einer Home-Office-Regelung selbst um ihn kümmern. Oft wurde ich gefragt, ob das nicht furchtbar sei, das Baby “abzugeben”, und wie der Haushalt daneben noch zu stemmen sei. Auch wenn mich sicherlich viele für die Rabenmutter schlechthin hielten, kann ich nur sagen: Unsere Familie litt keineswegs unter der Situation. Gemeinsam – d.h. mein Mann, unser Junior und ich – konnten wir das “Kind” schaukeln und die oft geforderte “Vereinbarkeit von Familie und Beruf” leben.
Ob der Job leichter zu handeln ist, wenn man mehr Freiräume hat, kann ich in einigen Monaten sagen. Mit einem 14 Monate alten Sohn wagte ich den Sprung in die Selbstständigkeit, beantragte meinen Gewerbeschein und meinen Presseausweis und los gings. Seither bin ich als freiberufliche Journalistin “unterwegs”. Ja, es gibt Abendtermine und ja, es gibt Deadlines und Abgabetermine, die immer zu schnell heranrücken. Aber mal ehrlich: Braucht das der klassische Journalist nicht auch ein wenig? Und wieder einmal kann ich nur eins raten: Organisation und Zusammenhalt sind alles. Ein wenig Sportsgeist ist durchaus gefragt, das gebe ich ja zu, denn Jonglieren ist an der Tagesordnung, aber wenn man den Beruf des Journalisten als Berufung sieht, gehört das einfach mit dazu.
… und schon ist es wieder abends und es liegt doch noch so viel Arbeit auf dem Schreibtisch, die unbedingt erledigt werden muss. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass es ein speziell für Journalisten typisches Phänomen ist, dass am Ende des Tages immer noch viel zu viel Arbeit übrig ist, aber genau das soll mein Fokus in diesem Beitrag sein: Wie sieht ein erfolgreiches Zeitmanagement bei Journalisten aus?
Zugegeben: Strukturierter geht’s sicherlich in einer Redaktion zu. Dort geht nach dem Themen-Meeting jeder seinen Aufgaben nach. Priorität Nummer 1: Artikel für die nächste Ausgabe “zusammensammeln” und dabei auf einen crossmedialen – oder besser noch multimedialen Genren-Mix – achten. Priorität Nummer 2: anstehende Termine mit freien oder festen Journalisten besetzen. Priorität Nummer 3: aktuelle Anfragen und geliefertes Material bearbeiten … und wenn dann noch Zeit bleibt, muss natürlich auch noch nach links und rechts geschaut werden: Was macht die Konkurrenz? Ist die Konkurrenz überhaupt Konkurrenz, also Journalisten mit Presseausweis, oder doch eher Blogger? Welche Serien bringen uns über das gefürchtete Sommerloch? Welche Themen gibt es aktuell, die im Lokaljournalismus regionalisiert oder im Fachjournalismus hinterfragt werden müssen? … und schon ist der Tag zu Ende.
Die “andere Welt” der Freiberufler
Und wie sieht’s im Einzelbüro aus? Ist die vermeintliche Freiheit der Freiberufler vielleicht sogar eine Last? Sie kann sicherlich zu einer werden, wenn man sich nicht selbst etwas Freiraum gewährt und sich das Recht verwehrt, neugierig zu sein. Sicherlich ist die Priorisierung eine andere, aber dennoch liegt sie klar auf der Hand: erst Terminarbeiten erledigen, dann weitere Termine vereinbaren und etwaige Projektmeetings planen und den Rest der Zeit das Treiben im journalistischen Strudel genießen.
Dieses Recht nehme zumindest ich mir raus – und so sieht damit mein Tagesablauf aus: Morgens – und das heißt wirklich früh morgens – kann ich noch nicht “schreiben”, deswegen räume ich mir selbst erst einmal rund ein bis zwei Stunden Netzwerk- und E-Mail-Zeit ein. Anfragen werden beantwortet, interessante Diskussionen werden verfolgt und kommentiert und interessante Projekte werden sondiert – und immer liegt mein “Ideen-Zettel” neben mir. Anschließend habe ich mich dann so weit “aufgewärmt”, dass ich mich an die Artikel machen kann, die ich zu schreiben habe.
Ob ich nicht vor Ort bin? Doch, aber meistens gebündelt. Ich bin ein furchtbarer Struktur-Freak und schaffe es damit auch immer wieder, “Vor-Ort-Termine” auf wenige Tage zu bündeln, um dann konzentriert im Büro das “geholte” Material abarbeiten zu können. [Randnotiz: Auch an Außendienst-Tagen gibt’s für mich ein Netzwerk-Warm-up.] Mal angenommen, ich habe gerade einen Büro-Tag und habe meine Terminarbeiten erledigt … wenn es dann noch hell ist, ist das ein überaus grandioser Tag – und ich belohne mich mit “journalistischer Gehirnakrobatik”.
Auf zu neuen Geschäftsideen
Aufgepasst: Jetzt wird der “Ideen-Zettel” herausgekramt und abgearbeitet. Was da draufsteht? Ideen für Artikel, die mir beim Recherchieren sprichwörtlich über den Weg gelaufen sind. Jetzt kümmere ich mich sowohl um die Machbarkeit als auch um den Abnehmer der Story. Aber auch Vertriebskanäle, die in Netzwerken gepostet wurden und die natürlich erst mal genau unter die Lupe genommen werden müssen, bevor meine Inhalte dort publiziert werden, stehen nun auf der Agenda. Drei bis vier “waghalsige” Versuche erlaube ich mir in der Woche. Und ehrlich gesagt habe ich eine 50-prozentige Erfolgsquote dabei. Soll heißen: Die Vermarktung gelingt oder ich finde neue Projektpartner.
“Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.” Ich weiß wirklich nicht, wie alt der Spruch ist, aber an diesem Punkt ist er wahr – und das wurde mir erst kürzlich im Dialog mit einer freiberuflichen Journalistin klar. Sie – eine klare Verfechterin des klassischen Print-Journalismus – erklärte mir, dass sie für die Social-Media-Kanäle gar keine Zeit habe, schließlich müsse sie arbeiten und Geld verdienen. Gehe sie ihrer beruflich bedingten Neugierde nach, käme sie beim Recherchieren vom Hundersten ins Tausendste und verzettle sich dabei total – bis am Schluss das große Chaos ausbricht, weil Termine nur noch knapp zu halten sein.
Ganz ehrlich? Ich fand das einfach nur schade, weil meine Kollegin offensichtlich sowohl an den Chancen und Möglichkeiten der “neuen Zeit” zu scheitern droht und sich nebenbei auch noch die für ihren Beruf so wichtige Eigenschaft – die Neugierde – verbietet. Vielleicht hoffe ich, dass auch sie diesen Beitrag liest, denn es ist mein Weg ihr zu sagen: Verfolge die Ideen wie eine Feder im Wind und ergreife sie, wenn der Sturm nachlässt, aber lasse nie die Feder zu Boden sinken und haste achtlos daran vorbei, denn jede davon ist eine Idee und jede Idee kann zum Erfolg werden.
Freiberufliche Journalisten suchen den Austausch – und finden ihn
Wie viele von Ihnen haben jetzt geglaubt, dass ich erklären werde, dass in den Zeiten des World Wide Web und Social Media keiner mehr “allein” ist und jeder sich immer und zu jeder Zeit austauschen kann!? Bestimmt einige. Das ist nicht weiter schlimm, denn für einen bestimmten Teilbereich ist das eine sinnvolle Möglichkeit – dann nämlich, wenn es um die Technik geht.
Fachforen gibt es, wie für nahezu jede Berufsgruppe, auch für Journalisten. Genau hier lassen sich Antworten auf fachspezifische Fragen finden. Diskutieren Sie die Grenzen der Panoramafreiheit mit freiberuflichen sowie angestellten Journalisten und vielleicht sogar mit einem Anwalt, der sich auf die Themen Presse- und Urheberrecht spezialisiert hat und gerne die Paragraphen erklärt. Tauschen Sie sich über die pfiffigsten Schnittmöglichkeiten und Szenenüberblendungen online aus. Und wenn Ihnen das persönliche Wort lieber ist, hilft die Video- bzw. Chat-Telefonie aus. Tipp: Ob Sie es hochtrabend als “Kundenbindungsinstrument” titulieren oder sich einfach nur mit den Kollegen in der Redaktion gut verstehen – ein Besuch bei ihren Auftraggebern kann nie schaden und fördert den fachlichen sowie den inhaltlichen Austausch.
Soviel zum ausgetauschten “Fachchinesisch”. Doch daneben stehen die Inhalte, die besprochen werden, um die Sichtweise zu erweitern. Dazu müssen Sie nicht ins Internet abtauchen. Sprechen Sie mit ihren Freunden und Bekannten. Nicht über das Genre, welches Sie beliefern müssen, sondern über den Inhalt, den Sie spannend aufbereiten möchten. Und siehe, es werden wunderbare Geschichten zutage gefördert, die Sie nie erfahren hätten, wenn Sie sich ausschließlich unter ihresgleichen ausgetauscht hätten.
Warum? Flapsig ausgedrückt kann man sagen, dass der thematische Horizont in Anbetracht der gleichen Herangehensweise doch sehr eingeschränkt ist. Branchenfremde Bekannte denken nicht zuerst an das perfekte Bild, welches die Intention des Textes unterstreicht und auch nicht an die Zitierbarkeit des Ansprechpartners. Mit dieser Herangehensweise werden Freunde und Bekannte zur journalistischen Goldgrube, wenn es um thematische Vielfalt geht.
Doch worum ging es eingangs? Um den Austausch. Mit dem “Be-Nutzen” von Freunden und Bekannten zur Interaktion kreieren Sie den nötigen Austausch, den Sie als Journalist brauchen, um eine Geschichte interessant zu erzählen. Praxis-Tipp: Ich lebe den Journalismus, und jeder, der mich kennt und der mit mir spricht, weiß, dass ich noch während des Gesprächs innerlich sondiere, für welchen Auftraggeber dieser Bericht interessant sein könnte.
Sie halten das für nicht sehr vertrauenswürdig? Doch, denn ich würde nie jemanden “verkaufen”, der das nicht möchte. Ich verstehe mich als Sammlerin von Geschichten – und frage dann, ob es in Ordnung ist, den Bericht weiterzutragen. By the way: Bei den uns so gut bekannten sozialen Netzwerken wird in der Regel niemand gefragt, ob ein Bild gepostet oder kommentiert werden darf.