Bereits im ersten, zweiten und dritten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns dem Thema:
Was neben den News zählt: Magazingeschichte und Hintergrundartikel
Brandaktuell zu sein ist die eine Seite der Medaille. Das ist der Anspruch, den Tageszeitungen verfolgen – oder Newsportale in der Online-Welt. Doch was bleibt dann noch für die Print- und Online-Magazine übrig? Dasselbe Thema nochmal (aber eben viel zu spät) zu bringen, macht zumindest für die Leserzielgruppe keinen Sinn. Nun ist die Recherchefähigkeit des Journalisten gefragt, denn in einer Magazingeschichte beziehungsweise einem Hintergrundartikel werden all die Dinge beleuchtet, die in einem aktuellen Bericht, wenn überhaupt, nur angerissen würden.
So entsteht eine Magazingeschichte – ein Beispiel
Die H-10-Abstandsregelung des Windkraftgesetzes ist nun auch in Bayern angekommen. Fortan soll gelten, dass der Mindestabstand zwischen einer Windkraftanlage und dem nächsten Wohnhaus zehnmal so hoch ist wie die Anlage selbst. Gut, das ist beim Dauerbrenner-Thema Energiewende natürlich eine Meldung wert.
Doch nun steht die Magazin-Redaktion vor der Wahl: Soll sie das Thema verstreichen lassen oder aufgreifen? Sie entscheidet sich dazu, das Thema aufzugreifen. Nun wird recherchiert. Hintergrundinformationen sind gefragt!
- Wie viele Windkraftanlagen gibt es aktuell in Bayern?
- Welche haben einen Mindestabstand unterhalb der H-10-Regelung?
- Wegen welchen Windrädern gibt es aktuell Streit mit Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften?
- Wie sieht’s im Bundeslandvergleich aus?
- ….
Ist erst einmal alles zusammengetragen, müssen diese Informationen aufbereitet werden. Das geht ebenfalls auf zwei Wegen: en bloc oder in ansprechend verpackten Inhaltshäppchen. Neben einem großen Beitrag, in dem Verfechter und Gegner zu Wort kommen, gibt es eine ausführliche Tabelle zum aktuellen Bestand sowie zu den Planzahlen in puncto Windkraft. Der Bundeslandvergleich lässt sich grafisch in einer Karte umsetzen, die zeigt, wo es aktuell Abstandsregelungen gibt. Fachbegriffe werden im Glossar kurz erklärt.
Und fertig ist die Magazingeschichte für das Printformat, denn ein aktuelles Thema wurde von mehreren Seiten beleuchtet und mit Hintergrundinformationen aufgewertet. So bleibt der Anlass der Berichterstattung klar, denn das Thema ist und bleibt aktuell, aber der Hintergrundartikel bietet durch Zusatzinformationen einen attraktiven Mehrwert für die Leser.
Exkurs in die Magazingeschichte in der Online-Welt
Switchen wir in die Welt der URLs wird eines klar: Es gibt sie, die gut recherchierten Texte, nur der Online-Journalist kann es sich manchmal etwas einfacher machen, als sein Print-Pendant. Ein Glossar kann beispielsweise erstellt werden, aber es kann auch einfach ein Link auf ein verlässliches Online-Lexikon gesetzt werden. Dafür, dass der Online-Journalist an dieser Stelle weniger Recherchearbeit hat, bekommt er natürlich prompt eine andere Aufgabe auf den Tisch: Er kann und sollte auf Videos, weiterführende Artikel etc. verlinken – und die muss er erst suchen und prüfen.
Leider neigen gerade Online-Artikel dazu, durch Affiliate Marketing zu leiden. Denn wenn ein Artikel nur so von Links zu Amazon und Co. strotzt, wird es vergleichsweise schwierig, den wahren Informationsgehalt herauszufiltern. Ebenso verwässert wird guter Content auch durch eine zu stark geforderte Keywordoptimierung.
Das „Content ist King“-Schild an dieser Stelle hochzuhalten, ist nicht das Anliegen, doch ein Appell ist an dieser Stelle durchaus angebracht: Gute Texte werden gerne gelesen, weiterempfohlen, und der Leser kommt immer wieder. Daher sollte unter dem Damoklesschwert der Suchmaschinenoptimierung nicht der Inhalt leiden, denn gerade der Online-Journalismus bietet zahlreiche Möglichkeiten, die geforderten Hintergrundinformationen auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen.
Im Falle der H-10-Regelung wäre es zum Beispiel leicht möglich, auf das offizielle Gesetzespapier zu verlinken. Schön, wenn die Regelung selbst für Leser ohne Jurastudium in einfachen Worten erklärt wird, aber die Gesetzesfans werden den Verweis auf den Paragrafendschungel der Content-Aufbereitung als wahren Mehrwert schätzen.
Steffi Brand
Neueste Artikel von Steffi Brand (alle ansehen)
- Storytelling, ja bitte. Yellow Press, nein danke. - 17. Juli 2015
- Das ABC der Artikelformen – Teil 4 - 17. März 2015
- Das ABC der Artikelformen – Teil 3 - 25. Februar 2015