Bereits im ersten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns weiteren Artikelformen im Journalismus.
Reportage und Feature: „Ich war dabei“
Sie sind sich ähnlicher wie kaum eine andere journalistische Darstellungsform und doch so unterschiedlich. Die Rede ist von der Reportage und dem Feature. Sie ähneln sich, denn – sind sie gut geschrieben – sind sie mitreißend, lebendig und lassen den Leser der Geschichte mitfiebern. Doch sie unterscheiden sich auch, denn ein Feature geht in die Tiefe und setzt das behandelte Thema in einen weit größeren Zusammenhang als eine Reportage.
Dabei sein und den Hintergrund beleuchten
Die Reportage ist eine nahezu sinnliche Form des journalistischen Schreibens. Ein Journalist beschreibt nämlich nicht den belebten Ort, an dem er sich zu Recherchezwecken aufhält, sondern fühlt mit den Menschen. Ein Beispiel: Vielfach diskutiert wird immer wieder das Thema künstliche Befruchtung. Ist es nun ein unerlaubter Eingriff in die Natur? Ein medizinischer Sektor, in dem mit dem unerfüllten Kinderwunsch von Paaren Geld gemacht wird? Oder ist es der einzige Weg zum Glück für kinderlose Paare?
Natürlich soll nun nicht dieses hochbrisante Thema diskutiert werden, aber daran lässt sich zeigen, was eine Reportage ausmacht. Ein mutiger Reporter, der sich an die höchste journalistische Form heranwagt, wird sich auf die Suche nach einem betroffenen Paar machen – und deren Geschichte erzählen. So wird eine kleine Geschichte im medizinischen Zirkus der Reproduktionsmedizin beleuchtet. Emotional. Menschlich. Mitfühlend.
Übrigens: Wird neben der Geschichte des Paares, das bis zum erlösenden Bluttest begleitet wird, der statistische Background beleuchtet, die Behandlungsmethoden aufgezeigt und so ein analytischer Bogen gespannt, wird aus der Reportage ein Feature.
Das macht eine gute Reportage aus
Allein schon aufgrund der umfangreichen Recherchen, die für eine stimmige Reportage nötig sind, kann diese journalistische Form niemals eine Meldung ersetzen, aber sie kann diese ergänzen. Der berühmte „Nachdreher“ eben, der so oft in der Redaktionssitzung der Lokalzeitung gefordert wird. Kein Wunder, wälzen doch findige Chefredakteure nicht umsonst die Mantelteile ihrer Zeitung, um aus einer klein verpackten Meldung eine ansprechende lokale Reportage zu stricken. Ein klares ja also für die Aktualität, die in den meisten Fällen immer auch ein Bestandteil der Reportage ist.
Details stehen darüber hinaus ganz oben auf der Liste der Dinge, die eine gute Reportage ausmachen. Um eine Reportage zu schreiben, muss der Schreibtischtäter wieder hinter dem Rechner hervorkommen und sich ins Recherchefeld begeben. Was sieht er? Liegen vielleicht nach dem Großbrand noch persönliche Gegenstände der ehemals im Haus wohnenden Menschen herum? Was riecht er? Steigt der Geruch von verbranntem Plastik beißend in seine Nase? Was hat der Nachbar gedacht, als die Feuerwehr ihn nachts aus dem Bett holte, weil das Feuer drohte, auf sein Haus überzugreifen? Und wie stand er dann vor den Flammen – im Pyjama?
All diese Details sind nötig, um ein authentisches Bild zu zeichnen, denn das ist – rein mit Worten – gar nicht so einfach umzusetzen. Nicht zuletzt deswegen gilt die Reportage als die künstlerischste Form des Artikels – denn jedes Wort muss punktgenau beschreiben und Emotionen vermitteln. Natürlich gehört dazu auch, Menschen zu Wort kommen zu lassen, denn eine Reportage lebt auch von den Statements der Betroffenen. Besonders der packende Artikelanfang und der nicht weniger wichtige Schlusssatz einer Reportage sind die wichtigsten Passagen des Artikels.
Und was passiert ohne Feder?
Das Feature beispielsweise fühlt sich im Rundfunk-Journalismus zu Hause. Kein Wunder, können hier mit Interviews, einem Erzähler und einem Sprecher für die Hintergrundinformationen all die zu übermittelnden Details ansprechend dargestellt werden. Auch die berühmten Fernsehdokumentationen, die unter der Bezeichnung „Reportage“ zu finden sind, sind oft eher ein Feature, denn nebst der Geschichte einer einzelnen Personen wird das Thema in einen globalen Zusammenhang gestellt.
Steffi Brand
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