… und schon ist es wieder abends und es liegt doch noch so viel Arbeit auf dem Schreibtisch, die unbedingt erledigt werden muss. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass es ein speziell für Journalisten typisches Phänomen ist, dass am Ende des Tages immer noch viel zu viel Arbeit übrig ist, aber genau das soll mein Fokus in diesem Beitrag sein: Wie sieht ein erfolgreiches Zeitmanagement bei Journalisten aus?
Zugegeben: Strukturierter geht’s sicherlich in einer Redaktion zu. Dort geht nach dem Themen-Meeting jeder seinen Aufgaben nach. Priorität Nummer 1: Artikel für die nächste Ausgabe “zusammensammeln” und dabei auf einen crossmedialen – oder besser noch multimedialen Genren-Mix – achten. Priorität Nummer 2: anstehende Termine mit freien oder festen Journalisten besetzen. Priorität Nummer 3: aktuelle Anfragen und geliefertes Material bearbeiten … und wenn dann noch Zeit bleibt, muss natürlich auch noch nach links und rechts geschaut werden: Was macht die Konkurrenz? Ist die Konkurrenz überhaupt Konkurrenz, also Journalisten mit Presseausweis, oder doch eher Blogger? Welche Serien bringen uns über das gefürchtete Sommerloch? Welche Themen gibt es aktuell, die im Lokaljournalismus regionalisiert oder im Fachjournalismus hinterfragt werden müssen? … und schon ist der Tag zu Ende.
Die “andere Welt” der Freiberufler
Und wie sieht’s im Einzelbüro aus? Ist die vermeintliche Freiheit der Freiberufler vielleicht sogar eine Last? Sie kann sicherlich zu einer werden, wenn man sich nicht selbst etwas Freiraum gewährt und sich das Recht verwehrt, neugierig zu sein. Sicherlich ist die Priorisierung eine andere, aber dennoch liegt sie klar auf der Hand: erst Terminarbeiten erledigen, dann weitere Termine vereinbaren und etwaige Projektmeetings planen und den Rest der Zeit das Treiben im journalistischen Strudel genießen.
Dieses Recht nehme zumindest ich mir raus – und so sieht damit mein Tagesablauf aus: Morgens – und das heißt wirklich früh morgens – kann ich noch nicht “schreiben”, deswegen räume ich mir selbst erst einmal rund ein bis zwei Stunden Netzwerk- und E-Mail-Zeit ein. Anfragen werden beantwortet, interessante Diskussionen werden verfolgt und kommentiert und interessante Projekte werden sondiert – und immer liegt mein “Ideen-Zettel” neben mir. Anschließend habe ich mich dann so weit “aufgewärmt”, dass ich mich an die Artikel machen kann, die ich zu schreiben habe.
Ob ich nicht vor Ort bin? Doch, aber meistens gebündelt. Ich bin ein furchtbarer Struktur-Freak und schaffe es damit auch immer wieder, “Vor-Ort-Termine” auf wenige Tage zu bündeln, um dann konzentriert im Büro das “geholte” Material abarbeiten zu können. [Randnotiz: Auch an Außendienst-Tagen gibt’s für mich ein Netzwerk-Warm-up.] Mal angenommen, ich habe gerade einen Büro-Tag und habe meine Terminarbeiten erledigt … wenn es dann noch hell ist, ist das ein überaus grandioser Tag – und ich belohne mich mit “journalistischer Gehirnakrobatik”.
Auf zu neuen Geschäftsideen
Aufgepasst: Jetzt wird der “Ideen-Zettel” herausgekramt und abgearbeitet. Was da draufsteht? Ideen für Artikel, die mir beim Recherchieren sprichwörtlich über den Weg gelaufen sind. Jetzt kümmere ich mich sowohl um die Machbarkeit als auch um den Abnehmer der Story. Aber auch Vertriebskanäle, die in Netzwerken gepostet wurden und die natürlich erst mal genau unter die Lupe genommen werden müssen, bevor meine Inhalte dort publiziert werden, stehen nun auf der Agenda. Drei bis vier “waghalsige” Versuche erlaube ich mir in der Woche. Und ehrlich gesagt habe ich eine 50-prozentige Erfolgsquote dabei. Soll heißen: Die Vermarktung gelingt oder ich finde neue Projektpartner.
“Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.” Ich weiß wirklich nicht, wie alt der Spruch ist, aber an diesem Punkt ist er wahr – und das wurde mir erst kürzlich im Dialog mit einer freiberuflichen Journalistin klar. Sie – eine klare Verfechterin des klassischen Print-Journalismus – erklärte mir, dass sie für die Social-Media-Kanäle gar keine Zeit habe, schließlich müsse sie arbeiten und Geld verdienen. Gehe sie ihrer beruflich bedingten Neugierde nach, käme sie beim Recherchieren vom Hundersten ins Tausendste und verzettle sich dabei total – bis am Schluss das große Chaos ausbricht, weil Termine nur noch knapp zu halten sein.
Ganz ehrlich? Ich fand das einfach nur schade, weil meine Kollegin offensichtlich sowohl an den Chancen und Möglichkeiten der “neuen Zeit” zu scheitern droht und sich nebenbei auch noch die für ihren Beruf so wichtige Eigenschaft – die Neugierde – verbietet. Vielleicht hoffe ich, dass auch sie diesen Beitrag liest, denn es ist mein Weg ihr zu sagen: Verfolge die Ideen wie eine Feder im Wind und ergreife sie, wenn der Sturm nachlässt, aber lasse nie die Feder zu Boden sinken und haste achtlos daran vorbei, denn jede davon ist eine Idee und jede Idee kann zum Erfolg werden.
Steffi Brand
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