Ein abgeschlossenes Studium im Medienbereich, eine abgeschlossene journalistische Ausbildung sowie praktische Erfahrungen in allen Medientechniken – so oder ähnlich lesen sich die Stellenausschreibungen von Medienunternehmen.
Leider sollte der Bewerber bzw. die Bewerberin möglichst noch keine 30 Jahre alt sein, sodass kein hohes Einstiegsgehalt verlangt werden kann. Damit sehen sich die meisten Berufsanfänger konfrontiert, wenn sie sich erstmals nach einer festen Stelle umsehen müssen. Sie gehören unglücklicherweise nicht zu dem Minimal-Prozentsatz, der nach einem abgeschlossenen Volontariat oder nach Abschluss eines Journalismus-Studiums mit Kusshand eine Festanstellung präsentiert bekommen.
Welcher Weg führt in den Journalismus?
An dieser Stelle könnte eine Diskussion über den “richtigen” Weg in den Journalismus entbrennen und – egal welche Meinung an dieser Stelle vertreten wird – sie wäre falsch. Insbesondere im Journalismus glaube ich an den Stellenwert des Individuums, die persönlichen Interessen und insbesondere an die persönliche Biographie. Unstrittig ist meines Erachtens dennoch eins: Bessere Kenntnisse der Medienvielfalt – insbesondere im Online-Bereich – besitzen sicherlich Hochschulabsolventen. Damit haben Sie einen Wissensvorsprung gegenüber ihren Kollegen und Kolleginnen in den Redaktionen. Aber könnte man nicht an dieser Stelle die Weiterbildungsmöglichkeiten im Betrieb erhöhen? Wäre es nicht eine Option, auch die “alten Hasen” mit Storytelling im Video-Bereich oder Recherche in Social-Media-Kanälen “up-to-date” zu halten? Bye the way: Das wäre sicherlich auch auf Arbeitgeberseite erstrebenswert und könnte unter Umständen langfristig sogar zu einer guten Platzierung bei “Great place to work” verhelfen.
Branchenwissen ist vermittelbar
Eine Umfrage, die von zwei Professoren der Hochschule Würzburg-Schweinfurt in Zusammenarbeit mit der Verleger-Plattform “Deutsche Fachpresse” durchgeführt wurde, zeigt, dass es durchaus Hoffnung gibt für Journalisten, die weder Mathematiker, Techniker noch Naturwissenschaftler sind. Fast drei Viertel der befragten Unternehmen ließen sich auf ein Gegengeschäft ein: Bewerber, die journalistische Fachkenntnisse mitbringen, erhalten im Gegenzug auf Betriebsebene spezielles Fachwissen. Ein fairer Deal, um als Fachjournalist Fuß fassen zu können.
Doch woher kommt die Kompromissbereitschaft? Die Zahl der Bewerber geht zurück! Schließlich gibt es sehr wenige, die ein technisches Studium absolvieren und “nebenher” noch ein Fernstudium im Bereich Journalismus stemmen können. Zwei Studienabschlüsse nacheinander zu absolvieren ist zwar grundsätzlich möglich, doch dann fallen die Bewerber leider wieder aus dem “unter 30 Jahre” – Raster.
Eine Option für einen Jobwechsel
Nach wie vor interessant ist der Beruf “Fachjournalist für Quereinsteiger” für gut ausgebildete Akademiker, die nach einigen Berufsjahren umsatteln möchten oder es aus privaten oder gesundheitlichen Gründen müssen. Dann wird der Arzt mit der entsprechenden Zusatzqualifikation oder Weiterbildung zum Fachredakteur eines Ärztemagazins. Für die Zielgruppe “Ärzte” wird er sicherlich qualitativ hochwertige Artikel beisteuern können, doch kann man ihn für die Redaktion einer Patienteninformationsbroschüre einsetzen? Fachlich wäre er sicherlich kompetent, aber erreicht er auch die Zielgruppe? Es mag ein Vorurteil sein, das sicherlich nicht für alle gilt, aber die Vermittlung von zu speziellem Wissen kann auch zur Ablehnung aus Sicht der Leser führen.
Wie viel Fachwissen darf es sein?
Werfen wir einen Blick auf die Arbeit eines Journalisten, der über ein medizinisches Fachthema schreibt. Er wird das Thema und die darüber diskutierte Meinung recherchieren, eventuell einen Ansprechpartner kontaktieren, der ihm den ein oder anderen O-Ton liefert und vielleicht sogar noch ein Glossar schreiben. Dafür muss er keineswegs Medizin studiert haben. Damit unterscheidet sich die Arbeit des “fachfremden” Fachjournalisten nur wenig von dem eines Lokaljournalisten.
Eine Kollegin hat das Thema einst mit folgenden pfiffigen Worten pointiert: “Ich muss nicht in der Pfanne gelegen haben, um über Schnitzel zu schreiben.”
Steffi Brand
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