Krisenkommunikation bzw. Krisen-PR bezeichnet die positive Außendarstellung gegenüber der Öffentlichkeit in Gefährdungssituationen. Es geht – zugespitzt formuliert – darum, selbst im Katastrophenfall (bei Pleiten, Skandalen und Unglücksfällen) als Institution oder verantwortliche Einzelperson noch einigermaßen gut dazustehen. Doch wie läuft das im Detail eigentlich ab?
Krisenkommunikation ist vielschichtig
Laut „Krisennavigator“ (einem Think-Tank der Universität Kiel) umfasst die Krisenkommunikation alle Maßnahmen zur Vermeidung, Früherkennung, Bewältigung und Nachbereitung von Krisensituationen im Rahmen von Kommunikationsstrategien.
Das bedeutet: Optimalerweise wird Krisenkommunikation permanent als „strategische Krisenkommunikation“, also zielgerichtet und konsequent betrieben. Das heißt nicht, dass innerhalb der hauseigenen PR-Abteilung, im Management oder gar unter der gesamten Belegschaft eine permanente Krisenstimmung „erzeugt“ würde. Vielmehr wird das Ziel verfolgt, nicht vollkommen unvorbereitet in Extremsituationen hineinzugeraten.
Angesichts der vielfältigen Fallkonstellationen, die sich zum Problem ausweiten können, erscheint eine gewisse Vorsorge durchaus sinnvoll. Allein unter den kritischen „unternehmensinternen Entwicklungen“ werden unterschiedlichste Ereignisse zusammengefasst — ob es nun Streiks sind, Massenentlassungen und Zahlungsschwierigkeiten oder Fehlentscheidungen im Management, Korruption, Betriebsunfälle oder Produktionsfehler. Hinzu kommen externe Bedrohungen – also alle Ereignisse, die durch sogenannte “höhere Gewalt” entstehen. Hierunter fallen beispielsweise Imageschäden durch Fehlverhalten anderer Unternehmen aus derselben Branche, gezielte Rufmordkampagnen der Konkurrenz oder Erpressungsversuche.
Eine zusätzliche Belastung entsteht durch die generell hohe Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit. Sie wird durch das moderne Kommunikationsverhalten weiter verstärkt. Ungünstige Entwicklungen vollständig vor der Öffentlichkeit zu verbergen, ist heutzutage nur noch schwer möglich. Die (Verbraucher-)Öffentlichkeit ist bedeutend kritischer geworden und Medienunternehmen greifen negative Ereignisse gerne auf, um dieses Interesse zu bedienen und gleichzeitig ihre Umsätze zu steigern. Neben diesen können sich auch Einzelpersonen – wie etwa unzufriedene Mitarbeiter – dank Sozialer Medien mit brisanten Informationen relativ leicht Gehör verschaffen. Daher gilt:
Besser gut vorbereitet durch Krisenprävention
Krisenprävention umfasst Schulungsmaßnahmen zum Umgang mit Krisensituationen, die Festlegung von Zuständigkeiten im Krisenfall und die Entwicklung von Leitfäden, um Krisen effektiv begegnen zu können.
Das bedeutet konkret: Bestandteil der „Krisenprävention“ ist zunächst der Aufbau eines festen Krisenstabes. Dessen Mitglieder wissen, was im Ernstfall zu tun ist und der Krisenstab kann auf eine verlässliche Infrastruktur zurückgreifen. Dazu gehören u.a. geeignete Räumlichkeiten, Rettungsgeräte sowie ausfallsichere und geschützte Kommunikationssysteme. Durch Schulungen, Planspiele etc. werden die Fähigkeiten der Stabsmitarbeiter regelmäßig aufgefrischt, vertieft und geprüft. Kompetenzlücken, die sich nicht durch Fortbildungen schließen lassen, erfordern gegebenenfalls auch das Anwerben neuer Mitarbeiter, die über das notwendige Profil verfügen oder eine dauerhafte Zusammenarbeit mit externen Krisen-PR-Experten.
Das „Krisenpersonal“ kann anschließend die Ausarbeitung von Handbüchern oder die Durchführung von Schulungen übernehmen, um der übrigen Belegschaft das notwendige Wissen für den Ernstfall zu vermitteln. Zu den Krisenaufgaben der Belegschaft zählt beispielsweise das schnelle Weiterleiten von Informationen an die Entscheidungsstellen oder die Beachtung von Sprachregelungen im Umgang mit unternehmensfremden Personen (insbesondere Journalisten, die unbedachte Äußerungen gerne aufgreifen).
Der hauseigenen PR-Abteilung kommt bei der Krisenkommunikation die zentrale Rolle zu. Leicht verständliche Krisenhandbücher formulieren, ein Bewusstsein für sinnvolle Krisenkommunikation schaffen, Überzeugungsarbeit leisten: Derartige Aufgaben übernehmen die PR-Spezialisten.
Krisenbewältigung: Jetzt geht‘s ums Ganze!
Bei Beginn einer Krise zahlt sich der Wert einer ordentlichen Vorbereitung in der Regel schnell aus. Insbesondere die ersten Kommunikationsmaßnahmen müssen schnell erfolgen, um Entschlossenheit zu signalisieren und die Öffentlichkeit (wahrheitsgemäß) über den Fortgang zu unterrichten oder ggf. zu warnen. Die zügige Vorgehensweise soll außerdem die Entwicklung von Gerüchten verhindern und einem Ausbreiten von Panik Einhalt gebieten. Das funktioniert reibungslos, wenn alle Beteiligten infolge intensiven Trainings wissen, was zu tun ist.
Bekannt ist, dass aus einem Krisenfall häufig Interessenkonflikte resultieren. Das geschieht zunächst innerhalb des betroffenen Unternehmens: Neben Schäden für Mensch und Umwelt wollen auch die Schäden für Bilanz und Image minimiert werden. Ein Interessenkonflikt entsteht aber auch gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit: Sie verlangt nach Aufklärung und versucht, diese über investigative Medienarbeit zu erreichen.
Im Krisenfall besteht eine gewisse Versuchung, negative Tatsachen zu verschweigen. Individuelle Verantwortungsträger, die um ihre persönliche Zukunft fürchten, könnten im Extremfall ihr eigenes Wohlergehen über das der gesamten Organisation stellen. Die Praxis zeigt jedoch: Am Ende verliert oft das ganze Unternehmen — und der Job ist auch weg.
Sogar in einer Unternehmenskultur, wo anstelle von moralischen Überlegungen der blanke Opportunismus herrscht, ist es sinnvoll, bestimmte Verhaltensweisen trotzdem zu vermeiden: Das Leugnen unbestreitbarer Tatsachen, Abwiegelungsverhalten, ungehaltene Reaktionen auf Kritik oder arrogantes, anteilnahmsloses Auftreten werden in der Öffentlichkeit nie gerne gesehen – und während einer Krise schon gar nicht.
Krisenbewertung: Und was lernen wir daraus?
Es mag lapidar klingen, doch bietet eine überstandene Ausnahmesituation oftmals die Chance, gestärkt aus ihr hervorzugehen. Der Schlüssel dazu ist der ehrliche Wille zur Aufarbeitung, dem die systematische Evaluierung – sprich: das Stellen unangenehmer Fragen – folgt. Womit nahm die Situation ihren Anfang? Wo haben Technik und/oder Mitarbeiter (mangels Fachwissen, durch falsches Kommunikationsverhalten etc.) versagt? Welche Maßnahmen müssen im Hinblick auf die Zukunft nun getroffen werden?
In Bezug auf personelle Konsequenzen ist allerdings bei der Nachsorge Vorsicht geboten. Derartige Maßnahmen sollten gut begründet werden, um einen Neuanfang glaubhaft darzustellen. Denn ansonsten entsteht schnell der öffentliche Eindruck, es handle sich lediglich um „Bauernopfer“ – und das tatsächliche unternehmensübergreifende Problem sei noch längst nicht behoben. Solange nach Ansicht von Medien und Öffentlichkeit letzte Fragen offen bleiben, kann eine Krise kaum als ausgestanden gelten.
Die Nachsorge gehört deshalb zu den sensiblen, sorgfältig zu gestaltenden Bereichen in der strategischen Krisenkommunikation. Natürlich dient sie in erster Linie dazu, aus vergangenen Problemen zu lernen und sie in Zukunft zu vermeiden. Aber sie will auch selbst in vorteilhafter Weise öffentlich dargestellt werden, um verlorengegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.
Andrea Gerum
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