Die Zukunft liegt im Lokaljournalismus. Zu diesem Ergebnis kamen bereits vor vier Jahren die Teilnehmer des »Mainzer Mediendisputs«. Tatsächlich handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen um Regional- und Lokalzeitungen. Doch neben der klassischen Tageszeitung etabliert sich mittlerweile eine weitere Alternative: Lokale Nachrichtenblogs im Internet werden immer beliebter.
Hardy Prothmann setzte als einer der Ersten voll auf Lokaljournalismus im Internet. Der 47-jährige Journalist gründete 2009 das Heddesheim-Blog, das über lokale Themen aus der 11500-Einwohner-Gemeinde in der Nähe Mannheims berichtet. Mittlerweile betreibt er zahlreiche weitere Blogs über andere Gemeinden aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Die Angebote funktionieren so gut, dass Prothmann inzwischen sogar eine eigene Volontärin ausbildet.
Tatsächlich war es bis hierhin ein weiter Weg. Prothmann meint, dass es knapp zwei Jahre dauere, bis sich ein Lokalangebot im Internet finanziell von selbst trage. Dabei gilt es in erster Linie Werbekunden zu überzeugen, die bisher vor allem in klassischen Printmedien Anzeigen schalteten.
Wie schwer dies sein kann, hat Mark Lubkowitz erlebt. Der Journalist betreibt seit 2011 die Website »Ismaninger Online«, die über das Geschehen aus einer Gemeinde im Norden Münchens berichtet. Zwar entwickelte sich das Projekt schnell, die Seitenaufrufe wurden immer mehr, zuletzt waren es zwischen 1000 und 2000 pro Tag. Was ausblieb waren jedoch die Werbeeinnahmen. Kaum ein Ismaninger Unternehmen wollte auf der Website inserieren. Die Wenigen, die es dennoch taten, machten es nur, »um mir persönlich einen Gefallen zu tun«, sagt Lubkowitz. Hauptproblem war seiner Meinung nach nicht die Reichweite, sondern die Relevanz.
Seit 1. Juli 2014 befindet sich »Ismaninger Online« im »Ruhezustand«. Die Website wird komplett überarbeitet, Lubkowitz sagt, dass er künftig »Lokaljournalismus 3.0« produzieren möchte. Dazu zählt vor allem die Konzentration auf das Wesentliche. Schnelle Meldungen und Nachrichten aus den Vereinen wird es künftig nicht mehr geben. »Die Vereine veröffentlichen diese News bereits selbst auf ihren eigenen Websites. Die Webseite Ismaninger Online muss also nicht zum Multiplikator verkommen«, schreibt Lubkowitz in einem Beitrag zur Neuausrichtung des Lokalblogs.
Stattdessen sollen in Zukunft vor allem gründlich recherchierte Geschichten, Meinungen und Interviews im Vordergrund stehen. Es werde dann nur noch für die Leser geschrieben und nicht mehr für etwaige Werbekunden. Die Jagd nach immer mehr Klickzahlen und Seitenaufrufen soll beendet werden. Das erinnert verblüffend an das Konzept, das auch die mittels »Crowdfunding« finanzierten »Krautreporter« verfolgen.
Um Einnahmen zu generieren, will Lubkowitz künftig vor allem auf soziale Netzwerke setzen. News aus den Vereinen auf Twitter, Facebook und Co. sollen bei »Ismaninger Online« gesammelt und entsprechend verlinkt werden. Hierdurch hätten auch Benutzer Zugriff auf solche Inhalte, die bisher nicht in den entsprechenden Netzwerken aktiv seien. Werbung werde nur noch in den eigenen »Social Media«-Kanälen geschaltet. Dadurch werde sie für die Unternehmen transparenter, da diese sofort ein Feedback erhielten, was die User tatsächlich bewegt. Die Reichweite von »Ismaninger Online« auf Facebook, Twitter oder Google+ sei zudem deutlich größer als die jedes Ismaninger Unternehmens. Daneben denkt Lubkowitz auch über eine Integration des Zahlungsdienstes »LaterPay« auf der neuen Website nach.
Ein Problem von »Ismaninger Online« ist die starke lokale Konkurrenz vor Ort. Neben Tageszeitungen mit Lokalteil, wie der »Süddeutschen Zeitung« oder dem »Münchner Merkur«, gibt es mit den gemeindeeigenen »Ortsnachrichten« und dem Anzeigenblatt »Ismaninger Rundschau« gleich mehrere Konkurrenzpublikationen. Eine solche Konkurrenzsituation stellt jedoch die Ausnahme in Deutschland dar: In fast 60 Prozent aller Gemeinden und Kommunen erscheint lediglich eine einzige lokale Tageszeitung. Daneben erscheinende Anzeigenblätter gehören oftmals zum selben Verlag. Ein echter Wettbewerb ist damit nicht gegeben.
Dabei haben Inhaltsanalysen durchaus ergeben, dass sich verschiedene Lokalmedien sowohl inhaltlich unterscheiden als auch gegenseitig ergänzen. Dies zeigt auch ein Beispiel aus Berlin. Dort gibt es mit den »Prenzlauerberg Nachrichten« und der »Prenzlberger Stimme« gleich zwei konkurrierende Lokalblogs. Zwar berichten beide aus dem Bezirk Prenzlauer Berg, dennoch liegt der Fokus auf jeweils unterschiedlichen Themen. Während die »Prenzlberger Stimme« vor allem auf Nachrichten setzt, gibt es für die Leser bei den »Prenzlauerberg Nachrichten« mehr Hintergrundgeschichten. Beide Angebote ergänzen sich also.
Klassische Printmedienmacher sollten die digitale hyperlokale Konkurrenz daher nicht fürchten, sondern als Ansporn nehmen, selbst besser zu werden. Denn dank gut recherchierter Geschichten und Porträts ist Lokaljournalismus mehr als nur der Bericht über die letzte Sitzung des Kaninchenzüchtervereins.