Mehrere Generationen lang hat das Fernsehen unsere Wahrnehmung der Realität geprägt. Wenn es um bedeutende geschichtliche Ereignisse der letzten 50 Jahre geht, dann verbinden die meisten Menschen diese mit den entsprechenden Fernsehbildern. Dazu zählt die erste Mondlandung ebenso wie der Mauerfall oder die Anschläge vom 11. September 2001.
Das Fernsehen verbindet Menschen in einem kollektiven Erinnerungspool. Seine Wirkungskraft hat sich in den letzten Jahren sogar noch weiterentwickelt. Es scheint nicht übertrieben zu sein, dass viele Menschen ihre generelle Weltsicht, ihre Meinungen und Ansichten, davon abhängig machen, wie sich das Fernsehen zu bestimmten Themen positioniert. Viele sehen diese Position zunehmend gefährdet, wobei dieser Entwicklung nicht durchweg negativ bewertet wird. Als Leitmedium der öffentlichen Kommunikation scheint das Fernsehen durch das Internet mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. Daher ist die Frage, ob das Fernsehen im digitalen Zeitalter noch eine Zukunft hat, durchaus berechtigt.
Was zeichnet das Fernsehen als Leitmedium aus?
Das Fernsehen war das Leitmedium der letzten Jahrzehnte. Zu verdanken hat es diese Stellung sicherlich vor allem der Tatsache, dass es die Merkmale der vorherigen Leitmedien wie Presse, Hörfunk und Film erfolgreich kombinierte. Somit wurden deren Wirkung spürbar optimiert. Außerdem hat das Fernsehen, wie kaum ein Leitmedium vorher, die Aufgabe bewältigt, sich stetig weiter zu entwickeln und sich zu aktualisieren. Dadurch wurde es den veränderten Ansprüchen anderer Generationen von Zuschauern gerecht. Viele Zuschauer machen kein Geheimnis daraus, dass das Fernsehen in Teilen sogar dazu dient, ihren Alltag beziehungsweise ihre Woche zu strukturieren. Das beginnt beim sogenannten “Frühstücksfernsehen” der privaten Sendeanstalten und endet lange nicht bei der nach wie vor sehr populären “Tagesschau” der ARD um 20:00 Uhr.
Dennoch hat das Fernsehen heute im Vergleich mit den neuen Medien eine Schwäche, die gerade junge Zuschauer bemängeln. Beim Internet wird ihnen die zeitgemäße Möglichkeit der Interaktivität geboten.
Fernsehen und Internet – Koexistenz oder Verdrängungskampf?
Das Internet hat in den letzten Jahren im Vergleich zu den Printmedien und eben auch zum Fernsehen stark aufgeholt. Es gilt vielen Nutzern inzwischen als primäres Nachrichtenmedium. Das Fernsehen schien unter dieser Entwicklung lange Zeit nicht zu leiden. Zusammen mit der gestiegenen Nutzungsdauer des Internets stieg laut der ARD/ZDF-Onlinestudie auch die Nutzungsdauer des Fernsehens. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass die Medienzeit der meisten Menschen insgesamt gestiegen ist. Allerdings ist gerade bei Jugendlichen erkennbar, dass eine deutliche Verschiebung der Prioritäten zugunsten des Internets stattgefunden hat. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen betrug die durchschnittliche Mediennutzungsdauer am Tag 134 Minuten Fernsehen und 218 Minuten Internet. Die Sendeanstalten versuchen diesem Trend zu entsprechen, indem sie ihre Sendungen vermehrt in Mediatheken im Internet zur Ansicht bereit stellen. Denn eines scheint sicher: Der Aspekt der Strukturierung des Alltags durch das Fernsehen schwächt sich derzeit stark ab und hat unter Jugendlichen eigentlich überhaupt keine Bedeutung mehr. Das Internet ermöglicht den jungen Nutzern das Zusammenstellen eines Programmplans, der den persönlichen Bedürfnissen in optimaler Weise entspricht.
Anpassen und Überleben
Auch wenn das Angebot medialer Online-Angebote stetig wächst – ein vollständiger Ersatz für das Fernsehen ist noch nicht in Sicht. Aber die Weichen für eine Ablösung aus der herausgehobenen Position als Leitmedium scheinen gestellt. Das lässt sich auch daran ablesen, dass Aktivitäten und Vorgänge in sozialen Online-Medien inzwischen oft ein deutlich stärkeres mediales Echo verursachen, als die im Fernsehen gesendeten Ereignisse.
Die eingangs gestellte Frage, ob das Fernsehen im digitalen Zeitalter noch eine Zukunft hat, kann trotz dieser Entwicklung klar mit ja beantwortet werden. Es ist davon auszugehen, dass es noch für eine lange Zeit bei einer Parallelnutzung der beiden Medien bleiben wird. Das Fernsehen muss sich allerdings damit abfinden, dass es seine herausragende Stellung, die es über mehrere Jahrzehnte innehatte, abgeben muss. Das Fernsehen wird sich in einer von den Online-Medien dominierten Medienlandschaft verändern und noch stärker anpassen müssen. In der Zukunft entstehen vielleicht neue Mischformen. Dann steht das Fernsehen zwar nicht mehr im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit, aber es wird, genau wie die Zeitung oder das Buch, zumindest überleben.