Bereits im ersten und zweiten Teil der Serie: Das ABC der Artikelformen wurden verschiedene Formen vorgestellt. Heute widmen wir uns weiteren Artikelformen im Journalismus:
Kurz und persönlich: Kommentar, Glosse, Kritik/Rezension
Jetzt wird es persönlich, denn während bei Meldung und Bericht noch über die Meinung anderer berichtet wurde, steht beim Kommentar, bei der Glosse und bei der Rezension die Meinung des Autors im Fokus.
Im Lektorat wird der Kommentar auf Verständlichkeit geprüft
Ein Kommentar ergänzt immer dann einen Beitrag, wenn er vom Autor eine Stellungnahme zum Thema inhaltlich einfordert. Wichtig ist, dass die Meinung des Journalisten mit Presseausweis auch von Interesse für die Leser ist. Zudem bedarf es gerade beim Kommentar eines Lektorats, bei dem der Text auf Verständlichkeit geprüft wird. Wichtig ist hier, dass der Text nicht nur redigiert wird, was jedem Text widerfahren sollte, sondern, dass es auch darauf ankommt, einen Kommentar verständlich zu schreiben. Gerade dann nämlich, wenn der Autor seiner vielleicht emotionalen Art freien Lauf lässt, können Gedankengänge verwirrend – und damit schwer nachvollziehbar – sein.
Neben dieser recht emotionalen Variante wird der Kommentar mit klassischen Argumenten im Gepäck immer dann geschrieben, wenn es darum geht, eine Meinung prominenter darzustellen. Am distanziertesten ist ein Kommentar, wenn er dazu dient, die unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Thema aufzuzeigen. Die Kunst am Kommentar besteht darin, das richtige Maß an Informationsgehalt einfließen zu lassen, ohne dabei die kommentierende Wirkung zu verfehlen.
Die Glosse ist die ironische Schwester des Kommentars
Wer glaubt, dass eine Glosse aufgrund der Leichtigkeit der Themen, die sie manchmal behandelt, auch leicht zu schreiben sei, der irrt. Denn eine Glosse zu verfassen, erfordert einen bunten Kessel an Schreibfähigkeiten, die nicht jeder Journalist gleichermaßen im Leistungsportfolio hat. Die Kunst der Glosse ist es, den Schwachpunkt des Themas zu erfassen und auf ironische Weise Salz in die soeben offen gelegte Wunde zu streuen. Ein Muss dabei ist die Pointe.
In der Rezension ist kein Platz für Arroganz
… und das, obgleich sie als Kritikform für künstlerische Darstellungsformen die Auseinandersetzung und Beurteilung des Themas stärker einfordert, als jede andere journalistische Darstellungsform. Dennoch gilt: Informieren und beurteilen ist erlaubt. Einen Verriss zu schreiben ist zwar vielleicht verlockend, aber weder zielführend noch von langer Erfolgsdauer für den Autor.
Vielmehr fordert der Auftrag, eine Kritik oder Rezension zu erstellen, den Journalisten zunächst dazu auf, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Ein Beispiel: Eine unbekannte Autorin bei der Lesung ihres ersten Buches anschließend verbal zu steinigen, zeugt nicht gerade vom Können des Journalisten. Geht er jedoch auf das Verhältnis der Kenntnisse der Autorin ein, und setzt diese in Relation zu dem Ergebnis, so sei ihm bescheinigt: Das ist der beste Ansatz, eine vertretbare Rezension zu erstellen.
Übrigens: Lobt der Journalist die Autorin dann haltlos über den berühmten Klee hinaus, ist die Rezension wahrscheinlich ebenso wertlos wie der Verriss. Maß und Ziel sowie ein argumentatives Fundament machen eine gute Rezension aus.
Kommentare und Kritiken sind online oft kommerziell geprägt
„False friends“ nannte man sie in der Schule. Damit wurden die Assoziationen zu einem Wort bezeichnet, die nur auf den ersten Blick zu einem anderen Wort verwandt waren, im Grunde genommen aber etwas anderes aussagten. Ähnliches passiert mit Kommentar und Kritik in der Online-Welt.
Einen Kommentar kann nämlich in der Regel jeder Leser verfassen. Er kommentiert damit ein journalistisches Werk oder öfter noch einen Beitrag eines Autors ohne journalistischen Hintergrund. Das hat nichts mit dem durchdachten Kommentar aus der Feder eines Journalisten zu tun – und verwischt in der Praxis zudem nur allzu oft die Grenze zur Werbung. Wenn nur noch Links in der virtuellen Welt hin- und hergeworfen werden, dann ist hier nicht mehr von journalistischen Kommentaren zu sprechen, auch wenn persönliche Meinungsäußerungen und Links in Felder mit der Überschrift „Kommentar“ geschrieben werden.
Rezensionen bzw. Kritiken finden sich in der Online-Welt auch – aber Achtung: Es gibt verkaufsfördernde, professionell geschriebene Kritiken und die „echten“ Rezensionen. Der Unterschied ist fließend und wer nun glaubt, dass die professionellen, in der Regel gekauften Kritiken, rein positiv gehalten sind, der irrt. Denn sie sind professionell – und haben daher auch den Anspruch, authentisch – also nicht durchweg positiv – zu sein.
Steffi Brand
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